Eine neue Ära im Südburgenland

Während das Nordburgenland mit der Eisenbahn relativ gut erschlossen ist, gibt es im Mittelburgenland nur eine einzige Bahnstation, die regulär im Personenverkehr bedient wird, nämlich Deutschkreutz. Immerhin gibt es hier die Buslinie 7941, die den dünn besiedelten Bezirk zusammen mit ein paar anderen Linien einigermaßen erschließt und Oberpullendorf umsteigefrei an die Bundeshauptstadt anbietet. Das wesentlich größere Südburgenland hingegen war, von der Linie G1 (jetzt B01) und der steirischen Ostbahn im sehr südlich gelegenen Jennersdorf abgesehen, bis vor kurzem ein verkehrlicher Fleckerlteppich.


Die Wurzeln dieses Fleckerlteppichs reichen ins Jahr 1921 zurück, als das Burgenland zu Österreich kam. Die burgenländischen Bahnstrecken, bis dahin stets nach Ungarn ausgerichtet und teils ohne Verbindung zum österreichischen Streckennetz, wurden plötzlich von einer neuen Staatsgrenze durchschnitten. In der Folge wurden der südliche Abschnitt der Strecke Sopron–Kőszeg, der östliche Abschnitt der Pinkatalbahn und die Güssinger Bahn auf ganzer Strecke in der Zwischenkriegszeit bzw. nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stillgelegt.


Das zentral an der Pinkatalbahn gelegene Großpetersdorf war im Personenverkehr seit 1984 nicht mehr auf der Schiene erreichbar. Die Wiederaufnahme des Verkehrs zwischen Oberwart und Großpetersdorf galt noch Anfang 2010 als gesichert, stattdessen wurde am 1. August 2011 auch der verbliebene Streckenabschnitt zwischen Friedberg und Oberwart eingestellt.

Dieses Bild habe ich im Juni 2009 zwischen Oberwart und Großpetersdorf aufgenommen.
Der Abschnitt war in Erwartung einer Reaktivierung gerade frisch saniert worden.

Von nun an lebte das Südburgenland, was den öffentlichen Verkehr betraf, hauptsächlich von der von Dr. Richard betriebenen Buslinie G1 (Wien-Oberwart-Güssing inkl. einiger Zweigstrecken, die vor allem frühmorgens bedient wurden) – bis zum 11.01.2021! An diesem Tag setzte die neu gegründeten Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH (VBB) drei neue Buslinien zwischen dem Südburgenland und Graz in Verkehr (Im Herbst 2023 verbleiben zwei davon, die dritte dient nunmehr als Zubringer).


Am 03.10.2022 folgte eine neue Buslinie von Wiener Neustadt nach Oberwart, womit die Verbindung vom Wiener Neustädter Hauptbahnhof ins Südburgenland nach etwas mehr als elf Jahren Unterbrechung wieder hergestellt ist (Die Spätverbindungen nach 21 Uhr wurden mittlerweile gestrichen, tagsüber verbleiben Montag bis Freitag zwölf und am Wochenende sechs Kurspaare).


Der große Paukenschlag erfolgte indes am 04.09.2023, als die landeseigenen VBB die wichtigste Buslinie, den G1 von Wien nach Güssing, übernahmen (und in B01 umbenannten). Zeitgleich wurden „rund ein halbes Dutzend neue Buslinien“ neu in Verkehr gesetzt, wobei die Linie B14 Oberwart-Oberpullendorf-Eisenstadt hervorsticht. Die Buslinie verbindet das Süd-, Mittel- und Nordburgenland seitdem im Zweistundentakt, wochentags teils sogar im Stundentakt. Konkrete Zahlen betreffend die Steigerung der Gesamt-Kilometerleistung waren im Herbst 2023 nicht zu bekommen. Das Budget für die öffentlichen Verkehrsmittel im Burgenland wurde in den letzten drei Jahren jedenfalls verdoppelt.


Der zentrale Knotenpunkt im südburgenländischen öffentlichen Verkehr ist Oberwart. Ausgehend vom Oberwarter Hauptplatz ist die Region nun mit einem gleichmäßig dicht gewebten Busnetz überzogen. Die Lücken dazwischen füllt – ebenfalls seit dem 04.09.2023 – das Burgenländische Anruf-Sammeltaxi, kurz BAST. Von Montag bis Freitag werden von 3:30 bis 20:30 Uhr insgesamt 1.742 vordefinierte Punkte im Süd- und Mittelburgenland miteinander verknüpft, und zwar zum Verbundtarif – für Klimaticket-Nutzer fallen daher keine zusätzlichen Kosten an (Vor 8:00 und nach 19:00 Uhr werden nur Fahrten zu bzw. von Bushaltestellen angeboten, hier erfüllt das BAST also eine Zubringerfunktion zum Linienverkehr).


Auf bestehenden Buslinien kam es mit dem 04.09.2023 überdies zu einer Ausweitung der Betriebszeiten: Von Oberwart kommt man nun wochentags auch um 22:15 noch nach Wien, der letzte Bus ins Südburgenland verlässt den Wiener Karlsplatz gar erst um 23:25 (und erreicht um 1:59 die Endstation Güssing Volksbank).


Einzelne Direktverbindungen wurden im Zuge der Übernahme durch die VBB in Umsteigeverbindungen umgewandelt, die sonntägliche Verbindung von der burgenländisch-slowenischen Grenze bei Bonisdorf nach Wien wurde gestrichen.


Das Fazit? Im Südburgenland hat am 04.09.2023 eine neue Ära begonnen. Das Südburgenland ist erstmals flächendeckend und an sieben Tagen die Woche mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen. Die Anbindung vom Südburgenland an das Mittel- und Nordburgenland wurde mit der Linie B14 entscheidend verbessert. Neben Graz und Wien ist seit 2022 auch Wiener Neustadt mit einer eigenen Buslinie an den öffentlichen Verkehr des Südburgenlandes angeschlossen.


Eine Reaktivierung bzw. ein Ausbau der Bahnstrecke nach Oberwart (und weiter nach Szombathely) wäre nichtsdestotrotz wünschenswert. Das BAST könnte durch einen Betrieb am Wochenende aufgewertet werden. Das käme insbesondere Wochenpendlern zugute.

Der G1 bei Bocksdorf, Juni 2021.

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