Radwege – die kleinen Grausamkeiten

Langsam, ganz langsam, entwickelt sich Österreichs Radwegenetz in die richtige Richtung. Auch in den Städten hat das Ausbautempo zugenommen, wenn es auch, wie etwa in Wien, weit hinter dem zurückbleibt, was im SPÖ-Wahlprogramm versprochen wurde (Angekündigt waren 30 Kilometer neue Radwege pro Jahr, tatsächlich sind es in den ersten zwei Regierungsjahren, wenn man falsch etikettierte Radwege herausrechnet, gerade einmal 5 Kilometer geworden).


Aber: Nicht alles, was landläufig „Radweg“ genannt wird, entspricht auch tatsächlich dem, was man sich unter einem Radweg vorstellt. In den Städten sind das oft schmale Radfahrstreifen, die eng an längsgeparkten Autos entlangführen (und damit durch die sehr gefährliche „Dooring-Zone“), am Land werden oft einfach bestehende Güterwege mit enormen Steigungen umgetauft, wie etwa am Thermenradweg/Eurovelo 9 bei Aspang (Schaut euch hier mit der Gelände-Funktion das Höhenprofil vom „Langeggerweg“ bei Aspang an, der ist nämlich Teil des Thermenradwegs).


Andere Routen scheitern schlicht an der Beschilderung. Ein Beispiel ist der Wientalradweg: Zunächst kommt man, obwohl auch etliche Fußgänger am Wienfluss unterwegs sind, gut voran, im letzten Abschnitt vor der Stadtgrenze ist der Radweg aber nur mehr auf halber Breite asphaltiert, der Rest ist gepflastert, weshalb man hier auf zahlreiche Geisterfahrer trifft. Kurz vor der Stadtgrenze, gegenüber vom Auhof-Center, weist der Wegweiser schließlich nach links, woraufhin man wenig später das Ende des Radwegs erreicht und auf der – gefährlichen – Bundesstraße landet. Nur Ortskundige ahnen, dass man beim Wegweiser rechts abbiegen hätte müssen.


Wer den Modal Split zugunsten des Radfahrens verändern möchte, muss auch den Sicherheitsaspekt im Auge behalten: Es braucht baulich getrennte Radwege, sowohl in Innenstädten als auch an Landes- und Bundesstraßen. In der Provinz können diese Radwege gerne etwas schmäler sein, Hauptsache, sie sind durch einen Wiesenstreifen von der Fahrbahn getrennt.


Auch zahlreiche kleinere Hindernisse, mit denen man insbesondere in der Stadt ständig konfrontiert wird, gilt es aus dem Weg zu räumen: Radwege werden an Kreuzungen ständig von niedrigen Kanten oder gar sehr steilen Rampen unterbrochen, die nur im Schritttempo befahrbar sind, auch neue Radwege. Radwege in Kleinstädten, die ein wenig von der Straße zurückversetzt sind, sind prädestiniert dafür, dass Autofahrer, die aus einer Seitenstraße kommen, mitten auf dem Radweg anhalten anstatt vor dem Radweg – eine extrem gefährliche Angewohnheit, vor allem, wenn die Seitenstraße vom Radweg aus nicht einsehbar ist.


Das aus meiner Sicht größte Problem in der (nicht nur) österreichischen Radweg-Landschaft sind aber die großen Umwege, die des Öfteren absolviert werden müssen. Ein Beispiel ist der Rastlandradweg im steirischen Liesingtal, der ständig die Talseite wechselt. Wer den italienischen Etschtalradweg nach Trient fährt, muss bei der Avisio-Mündung einen Umweg von fünf Kilometern in Kauf nehmen, weil eine Brücke fehlt (hier bei Etappe 5 als violetter Zacken sichtbar).


Ich will mir bei einer längeren Radfahrt nicht jedes Dorf anschauen, die meisten Radwege lotsen mich aber zuverlässig in jedes Dorfzentrum hinein und dann wieder hinaus. Der Besuch des einen oder anderen Dorfzentrums sollte fakultativ sein, möglicherweise möchte man sich erst das nächste oder übernächste Dorf anschauen. In Dürnstein in der Wachau, das von Ausflüglern überrannt wird, gibt es diese doppelte Beschilderung natürlich längst.


Was Wien betrifft: Es gibt beispielsweise von Süden her keine Möglichkeit, entlang einer der großen Ausfallstraßen auf direktem Weg in die Stadt zu kommen. Alle Radwege in diesem Bereich sind mit Stand 2023 immer noch kleinteiliges Flickwerk oder mit größeren Umwegen verbunden (z.B. Staatsoper-Laxenburg-Guntramsdorf-Baden).


Die neben den teils enormen Umwegen größte, pardon, Verarschung sind die Steigungen: Wo die Bundesstraße schnurgerade verläuft, findet man sich als Radfahrer ständig weit unter- oder oberhalb des Straßenniveaus wieder. Dabei sind Steigungen für Radfahrer naturgemäß weitaus herausfordernder als für Autofahrer. Im Folgenden ein typisches Beispiel aus Niederösterreich und eines aus der Steiermark:

Gramatneusiedl (NÖ): Wer oben radelt, wird wütend angehupt.

Am oststeirischen Abschnitt des Eurovelo 9: Damit niemand auf dumme Ideen kommt, gibt es zwischen Straße und Radweg noch einen Entwässerungsgraben.

Andere Radwege sind über viele Kilometer so steil, dass sie ohne E-Bike nur von ambitionierten Fahrern bewältigt werden können. Beispiele sind der eingangs erwähnte Eurovelo 9 im Abschnitt Aspang-Friedberg oder der Ennstalradweg südlich von Ternberg. Es wäre hilfreich, anspruchsvolle Radrouten als solche zu kennzeichnen, analog zum Schifahren.


Zusammengefasst: Der Weg ist nicht das (Haupt-) Ziel, auch Radfahrer wollen in der Regel ohne größere Umwege und unnötige Schikanen von A nach B kommen. Und zwar durchgehend so sicher wie möglich.

Zuerst steil bergab, dann sehr lange bergauf, dann bergab, dann bergauf, dann extrem steil bergab – der Eurovelo 9 zwischen Friedberg und Aspang.

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Kommentare: 1
  • #1

    Günther (Mittwoch, 22 November 2023 14:35)

    Sehr gut ausgeführt!

    Schnell und relativ kostengünstig auszuführen wäre auch:

    -Tempo 30 im Ortsgebiet (auch auf Landesstraßen im Ort)
    -Tempo 70 auf Landesstraße außerhalb vom Ort wenn es keinen getrennte, gut ausgeführte Radweg daneben gibt.
    (Da wäre dann auch die Motivation hoch Radwege zu bauen ;-) )