Eine Verspätungs-Geschichte

Wir schreiben den 10. November 2023. Ich bin unterwegs von Baden bei Wien nach Mautern in Steiermark. Um 12:57 möchte ich abfahren, um 15:42 ankommen. Diese Verbindung hat mir in den letzten Jahren viel Zeit gespart, denn wenn der aus Tschechien kommende Railjet verspätet ist und ich meinen Anschluss versäume, gibt es von Montag bis Freitag eine gute halbe Stunde später noch eine Verbindung ins obersteirische Liesingtal. Ansonsten herrscht dort nach wie vor ein Zwei-Stunden-Takt.


Meistens schaue ich vor der Abfahrt noch einmal kurz ins Internet, am 10. November habe ich es unterlassen und daher eine halbe Stunde am Bahnsteig gewartet, denn der Zug um 12:57 ist ausgefallen. Was soll’s, dann wird’s eben wieder einmal der Folgezug. In Wiener Neustadt kann ich auf den IC nach Lienz umsteigen und bin dann mit nur 37 Minuten Verspätung in der Obersteiermark. Jedenfalls theoretisch.


In Wiener Neustadt, wo ich umsteigen muss, wird der Intercity zuerst mit 24 Minuten, dann mit 28 Minuten Verspätung angezeigt. Auch das sollte sich eigentlich ausgehen, wenn auch nur knapp. Jedenfalls theoretisch.


Denn der Zug fährt planmäßig ohne Aufenthalt von Wiener Neustadt bis Leoben durch. Es gibt bestimmt Gründe, warum er heute rund zehnmal stark abbremst, in einem Fall mehrere Kilometer lang dahinschleicht, bevor er dann, warum auch immer, über eine Weiche auf das Nachbargleis fährt. Einige Kilometer vor Leoben bremst der Zug wieder ab. Wir erreichen Leoben um 15:58. Mein REX nach Mautern ist pünktlich um 15:57 abgefahren.


Bei vielen Fahrgästen führen solche Situationen zu Wutausbrüchen, denn man ist dem Zug, in dem man sitzt, hilflos ausgeliefert. Häufig gibt es keinerlei Informationen, warum es im konkreten Fall nicht weitergeht. Das führt, wenn man einen Anschlusszug erreichen muss oder einen Termin hat, zu immer mehr Stress und schlägt irgendwann in Zorn um. Und es gibt niemanden, an dem man seinen Zorn auslassen kann (soll), denn der Zugbegleiter kann nichts dafür.


Der nächste Zug nach Mautern fährt erst um 17:18. Geringfügig schneller geht es, wenn ich nach St. Michael fahre und dort in einen Bus umsteige. Gesagt, getan – und dann fand die Geschichte ein komisches Ende: Durch das zweimalige Versäumen von Anschlusszügen traf ich in St. Michael unversehens auf meinen wenige Wochen alten Neffen, der in Begleitung seiner Eltern gerade die erste Zugreise seines Lebens absolvierte.


Wir plauderten ein bisschen, und dann erreichte ich Mautern mit ungefähr 100 Minuten Verspätung mit dem Bus. Der Bus war ebenfalls nicht ganz pünktlich, weil eine Rinderherde irgendwo im Nirgendwo die Dorfstraße blockierte.


Wie auch immer: Bis mein Neffe groß genug ist, um alleine mit der Eisenbahn zu fahren, hat man sicher Mittel und Wege gefunden, das Thema Verspätungen in den Griff zu bekommen.

Kühe in der Obersteiermark.

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